Vier Emaille-Tableaus zur Geschichte des deutschen Parlamentarismus
Der Hallenser Künstler Moritz Götze gilt als bedeutendster Vertreter der modernen deutschen Pop-Art-Szene, einer Stilrichtung in der bildenden Kunst, die in den 1950er Jahren durch amerikanische Künstler wie Andy Warhol und Roy Liechtenstein eingeführt wurde und einen radikalen Bruch mit der bisherigen Kunstgeschichte darstellte. Die amerikanischen Pop-Artisten orientierten sich nicht an den üblichen Sujets, sondern fanden ihre Themen in der von Konsum, Werbung und Massenmedien bestimmten Alltagskultur. Ihre Gemälde und Grafiken waren von leuchtenden Farben und stark vergröberten Formen geprägt, die eher an überdimensionale Comics als an Gemälde erinnerten. Aber auch die Bildgegenstände zeigen, die grundsätzlich anders sie Kunst verstanden und rezipiert wissen wollten: Warhol etwa porträtierte mit Marilyn Monroe und Elvis Presley nicht nur die Superstars der neuen Zeit, sondern verewigte auch „Campbell’s Tomato Soup“, das Pin Up Girl und Mickey Mouse in seinen Werken. Sein wohl berühmtestes Zitat lautet in deutscher Übersetzung: „In Zukunft wird jeder fünfzehn Minuten berühmt sein.“
Moritz Götze bedient sich in seinen Gemälden und Grafiken der leuchtenden Farben und vereinfachten Flächen, und auch er widmet sein künstlerisches Werk den „Superstars 2.0“, wie etwa auch eine seiner Ausstellungen 2017 hieß. Gleichwohl ist er dabei inhaltlich ein Gegenentwurf zur amerikanischen Pop Art, denn seine Stars sind Persönlichkeiten der deutschen Geschichte von Martin Luther über die preußischen Könige Friedrich II. und Wilhelm I. bis zu Fürst Pückler und Lady Hamilton oder aber die großen Maler der deutschen Kunstgeschichte wie Lucas Cranach, Albrecht Dürer, Philip Otto Runge oder Moritz von Schwind, deren ikonische Werke er in die Neuzeit übersetzt, indem er ihnen durch strahlende Farben, vereinfachte Formen und moderne Menschenbilder etwas überaus Gegenwärtiges verleiht.
Götze ist ein malender Historiker, ein Sammler, ein Geschichtenerzähler. Ihn interessiert nicht weniger als der Kanon der deutschen Kunstgeschichte mit seinen ernsten und den unernsten, den erinnerten und den vergessenen Hintergründen und Zusammenhängen großer Persönlichkeiten und historischer Ereignisse, und er macht sie neu und unprätentiös wieder zugänglich. Hier treffen sich Götzes Arbeiten mit denen seiner Vorgänger. Pop Art wollte als Gegenteil von Pathos und Repräsentation, als ein Antipode zu Establishment und Elite verstanden werden. Auch bei Götze geht es nicht um Heldenverehrung und Personenkult, sondern um seine eigene Faszination an den großen Geschichten der Vergangenheit, die er selbstbewusst in eine neue Bildsprache übersetzt, so dass die Geschichte und die Geschichten,
die sich mit den Personen verbinden, viel leichter zugänglich erscheinen. Götzes Parcours durch die deutsche Geschichte wird so zur Erinnerungsarbeit für die Gegenwart, eine Befragung der alten und neuen Helden, deren Taten sich unseren unmittelbaren Kontext entziehen, weil sie in unserer dinglichen Welt nicht mehr unmittelbar relevant sind.
Der Kunstbeirat des Deutschen Bundestages hat Moritz Götze im Jahr 2016 beauftragt, vier Arbeiten zur Geschichte des deutschen Parlamentarismus anzufertigen. In den vier Emaille-Tableaus verwebt er Ereignisse und Personen aus vier Epochen zu einem Bilderbogen, in denen die Einzelmotive wie in überdimensionierten Glanzbildern durch Stege miteinander verbunden sind.